Sekundäre Pflanzeninhaltsstoffe
Kein Gemüse hätte eine Farbe oder einen Geschmack
Wie bereits weiter oben angekündigt, wollen wir uns jetzt mit einer sehr interessanten Gruppe von Wirkstoffen beschäftigen, die ausschließlich in Pflanzen- dafür aber in allen – enthalten sind: Die Sekundären Pflanzeninhaltsstoffe (SPS).
Sekundäre Pflanzeninhaltsstoffe sind Ihnen allen geläufig. Vielleicht nicht unbedingt mit dem chemischen Namen, aber von ihrer Anmutung her: Kein Gemüse hätte eine Farbe oder einen Geschmack ohne sekundäre Pflanzeninhaltsstoffe. Auch die verschiedenen Geschmacksrichtungen gehen darauf zurück.
Der Begriff „sekundär“ könnte bei dem ein oder anderen den Eindruck erwecken, diese Stoffe seien nicht so wichtig. Ganz das Gegenteil ist der Fall! Die sekundären Pflanzeninhaltsstoffe werden von Pflanzen für Pflanzen gemacht. Sie selbst benötigen diese Stoffe, z.B. um sich gegen Fraßfeinde zu schützen. Vor vielen Millionen Jahren, als sich die Pflanzen – aus dem Wasser kommend – das Festland eroberten, waren es vermutlich diese Stoffe, die einzelnen Vertretern entscheidende Überlebensvorteile verschafften.
Wie in Untersuchungen gezeigt werden konnte, sind diese Stoffe dafür verantwortlich, dass die Pflanzen so eine breite Palette an pharmakologischen Wirkungen besitzen. Um nur einige Beispiele zu nennen: Ätherische Öle kommen in sehr vielen Pflanzen vor. Es handelt sich dabei um leicht flüchtige Stoffe, die im Gegensatz zu den normalen fetten Ölen keinen typischen Fettfleck hinterlassen. Sie verflüchtigen sich im wahrsten Sinne des Wortes und machen sich für uns Menschen dadurch bemerkbar, dass sie mehr oder weniger angenehm, aber auf jeden Fall intensiv riechen. Diesen „Ölen“ verdanken wir den Geschmack bzw. den Duft von Pfefferminze, Lavendel und vielen andere Gewürzen!
Oder Anthocyane – eine Gruppe von Pflanzeninhaltsstoffen mit sehr intensiver roter Farbe. Ohne sekundäre Pflanzeninhaltsstoffe wie diese wäre unser Gemüse schmutzig grau und sähe sehr fad aus! Daneben haben diese Stoffe aber auch bestimmte Schutzfunktionen für die Pflanzen, in denen sie vorkommen und – wie jetzt dank intensiver Forschung nachgewiesen werden konnte – auch positive Wirkungen für bzw. im Menschen (vgl. dazu: Ihr Pflanzenkompass für die Naturapotheke, Bd. 2: Powerfrucht Preiselbeere – „Beerenkräfte“ aus der Natur).
Kommen wir nun aber zurück zu der Pflanze, mit der wir uns in diesem Pflanzenkompass eingehend befassen wollen: Dem Rosenwurz!
Botanik
Rhodiola rosea, alias Rosenwurz – Dickblattgewächse (Crassu-laceen)
Rhodiola rosea, alias Rosenwurz, gehört – ähnlich wie die bekannte Fetthenne – zur Familie der Dickblattgewächse (Crassu-laceen). Rosenwurz ist sowohl in den arktischen Regionen als auch in den Gebirgsregionen Europas und Asiens heimisch. In Zentral- und Nordasien, insbesondere in der Mongolei bis hinein in einige Regionen Sibiriens, ist die Pflanze weit verbreitet. In Europa findet man Rhodiola rosea in Island, auf den Britischen Inseln, in Teilen von Skandinavien, aber auch in den Gebirgsregionen des Balkans ist die Rosenwurz beheimatet. Die Blätter sind blau-grün und fleischig, die Blüten gelbgrün bis leuchtend gelb oder rötlich. Der Spross wird zwischen 10 und 35 cm hoch. Die Vegetationsperiode dauert etwa von Mai bis September.
Wichtig ist, dass die pharmakologische Wirkung im Besonderen von der Pflanze namens Rhodiola rosea ausgeht. Andere botanische Verwandte und Bekannte können vielleicht auch arzneiliche Wirkungen entfalten, aber wohl nicht die typischen Rosenwurz-Effekte. Oft finden sich in Arzneiprodukten auch andere Angaben beziehungsweise andere Verwandte des Rosenwurz, es ist aber nicht sichergestellt, welche Wirkungen diese Pflanzen haben.
Hauptinhaltsstoffe, Wirkprinzipien und Studienergebnisse
…über 180 pharmakologische und klinische Studien…
Was macht diese Pflanze nun so vielfältig und besonders? Pharmakologischen Untersuchungen zufolge ist die Wurzel des Rosenwurz sehr reich an sekundären Pflanzeninhaltsstoffen, die wir bereits im vorherigen Kapitel angesprochen haben. Hier eine Auswahl der wichtigsten in einem Extrakt aus der Wurzel von Rhodiola rosea nachgewiesenen Inhaltsstoffe:
- Phenylpropanderivate: z.B. Rosavin, Rosin und Rosarin
- Phenylethylderivate: Salidrosin
- Flavonoide: Rodolin, Rodiosin, Acetylrodalgin
- Monoterpene: Rosiridol, Rosaridin
- Triterpene: Daucosterol und a-Sitosterol
- Phenolsäuren: Chlorogen-, Hydroxyzimt- und Gallussäuren.
Im Folgenden werden jedoch nicht die Wirkungen der einzelnen Wirkstoffe (diese konnten noch nicht im Einzelnen zugeordnet werden), sondern immer die Wirkung des Gesamtextraktes besprochen. Seit 1960 wurden über 180 pharmakologische und klinische Studien mit Rosenwurz, vor allem mit der Spezies „Rhodiola rosea L.“, durchgeführt und publiziert. Bei dem therapeutischen Einsatz von Heilpflanzen, so auch von Rosenwurz, sollte immer genau darauf geachtet werden, welche Art verwendet wird, denn: Andere Spezies enthalten andere Inhaltsstoffe und entfalten damit auch andere Wirkungen. Und sie sind – so zumindest im Fall Rhodiola – nicht so gut erforscht!
Pharmakologische Untersuchungen (Wirkungen)
sehr wirksames Antioxidanz
Wie Rhodiola rosea auf das Gehirn wirken könnte, ist in der folgenden Grafik dargestellt. Diese Abbildung verdeutlicht, wie die Pflanze sowohl auf kognitive als auch auf emotionale Faktoren Einfluss nehmen könnte.
In kleinen und mittleren Dosen verabreicht, stimuliert ein Extrakt aus Rhodiola die Ausschüttung von Neurotransmittern wie z.B. Norepedrin, Dopamin und Serotonin und steigert ihre Aktivität, indem es die Permeabilität (Durchlässigkeit) der Blut-Hirn-Schranke für Vorstufen von Dopamin und Serotonin erhöht.
Doch das ist noch längst nicht alles! Rosenwurz ist auch ein sehr wirksames Antioxidanz und als solches in der Lage, das Nervensystem vor Schäden durch freie Radikale zu schützen. Wir wissen ja, dass durch Stress und andere sauerstoffabhängige Stoffwechselvorgänge so genannte „Freie Radikale“ über das Blut in die Organe gelangen und dort zu Schäden führen können, wenn sie nicht sofort wieder neutralisiert werden. Der menschliche Organismus verfügt über eine Vielzahl von Enzymen, Katalysatoren und Schutzmechanismen, die dafür bestimmt sind, diese freien Radikale unschädlich zu machen. Sind diese Schutzsysteme jedoch überlastet oder durch krankhafte Prozesse außer Kraft gesetzt, kann es zu Beeinträchtigungen und Schädigungen kommen. Und auch für das Nachlassen vieler Fähigkeiten im Alter wird die lang andauernde Einwirkung von freien Radikalen verantwortlich gemacht. Dagegen hilft der Extrakt von Rhodiola rosea, indem er die freien Radikale bindet und unschädlich macht. Auf diese Weise hat die Pflanze, so nimmt man heute an, eine positive Wirkung u.a. auf das Gedächtnis, die Konzentrationsfähigkeit und die emotionale Belastbarkeit gegenüber Stress.
Auf der Suche nach dem pharmakologischen Prinzip für die leistungssteigernde Potenz von Rosenwurz – bezogen auf die körperliche Leistungsfähigkeit – fanden Wissenschaftler heraus, dass Rhodiola-Extrakt zu einer Verbesserung des Zellenergiestoffwechsels beiträgt. Die Synthese von Adenosontriphosphat (ATP), dem Hauptenergieträger der Zellen, von Ribonukleinsäuren (RNA), von Proteinen und von Aminosäuren wurde gesteigert.
Untersuchungen & Studien
Depressionen, Schlaganfall oder Gefäßverletzungen im Gehirn – deutliche Verbesserung
In einer Untersuchung an jungen, gesunden Medizinern wurde die Wirkung von Rosenwurz auf die Belastbarkeit während der Nachtschicht getestet. Auch dabei zeigte sich, dass die angehenden Mediziner trotz der unruhigen Nächte in Tests, die auf das assoziative Denken, das Kurzzeitgedächtnis, die Kalkulation und die Konzentrationsfähigkeit ausgerichtet waren, deutlich besser abschnitten. In allen Parametern waren die Testpersonen, die Rosenwurz etwa zwei bis drei Wochen vor dem Test eingenommen hatten, den Probanden überlegen, die nichts eingenommen hatten. Zu demselben Ergebnis kommen zahlreiche andere Untersuchungen. Darüber hinaus kann die Pflanze beispielsweise auch bei Patienten mit Depressionen, Schlaganfall oder Gefäßverletzungen im Gehirn zu einer deutlichen Verbesserung des Befundes beitragen.
In einer offenen Studie mit Studenten, Ärzten und Wissenschaftlern konnte nachgewiesen werden, dass eine Rosenwurztinktur (entsprechend 100-150 mg Rhodiola-rosea-Extrakt), über einen Zeitraum von zwei bis drei Wochen gegeben, zu einer deutlichen Leistungssteigerung geführt hat.
Untersuchungen belegen außerdem, dass immer mehr Frauen unter einstmals typischen Männerkrankheiten leiden: Burn-Out-Syndrom und Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Herzinfarkt oder Schlaganfall. Besonders dem Wirkstoff Rosavin werden herzschützende Eigenschaften nachgesagt.
Rhodiola auch bei Krebserkrankungen wirksam?
Bei Ratten z.B. hemmte die Einnahme von Rhodiola rosea-Extrakt das Tumorwachstum
Angestoßen durch Berichte und Überlieferungen aus den Regionen, in denen Rosenwurz schon seit langem in der Volksmedizin zum Einsatz kommt, ging man auch der Frage nach, ob ein Extrakt aus der Wurzel auch bei Tumorerkrankungen positive Wirkungen zeigen kann. Onkologische Untersuchungen mit Rhodiola rosea wurden bisher nur an Tieren durchgeführt; die Ergebnisse sind aber durchaus viel versprechend: Bei Ratten z.B. hemmte die Einnahme von Rhodiola rosea-Extrakt das Tumorwachstum, verringerte das Auftreten von Metastasen in der Leber und erhöhte die Lebenszeit. Eine Kombination des Pflanzenextraktes mit Cyclophosphamid verstärkte die Wirkung gegen Metastasen. Als mögliches Wirkprinzip könnten hier sowohl die adaptogenen als auch die antioxidativen Eigenschaften des Pflanzenextraktes zur Geltung kommen. Es bleibt abzuwarten, ob und wie sich die Arzneipflanze im klinischen Szenario bei Tumorerkrankungen bewährt.
Herausragende Wirkungen Von Rhodiola Rosea
- Wie in zahlreichen Untersuchungen mittlerweile nachgewiesen werden konnte, gehört Rhodiola rosea in die Gruppe der so genannten Adaptogene. Das sind Heilpflanzen bzw. Wirkstoffe, die ganz allgemein die Anpassungsfähigkeit des Organismus an außergewöhnliche Belastungen – gemeint sind physische und / oder psychische Stresssituationen – erhöhen.
- Zudem ist ein Extrakt aus Rhodiola-Wurzel in der Lage, die kognitive Lern- und Erinnerungsfähigkeit von Menschen zu verbessern. Man nimmt an, dass diese Wirkungen darauf zurückzuführen sind, dass der Rhodiola rosea-Extrakt verschiedene Signalsubstanzen der Nervenzellen, darunter Norepinephrin (NE), Dopamin (DA), Serotonin (5-HAT), stimuliert.
- Als hervorragendes Antioxidanz kann Rhodiola rosea die Zellen des zentralen Nervensystems (ZNS) vor dem Angriff freier Radikale schützen. Freie Radikale entstehen nicht nur beim Rauchen oder bei entzündlichen Prozessen im Gewebe, sie werden auch im ZNS in der Folge von Stress etc. gebildet und können, wenn sie nicht sogleich durch die dafür zuständigen Enzymsysteme gehemmt werden, schwere Schäden im Gewebe hervorrufen.